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Welches Land produziert weltweit am meisten Käse? Nicht die Schweiz, nicht Frankreich und auch nicht Italien, sondern: die USA. Verständlich, sind ja ziemlich groß. Doch wer steht an zweiter Stelle und ist noch dazu führend im Käse-Export? Deutschland! Um so frustrierender, wie wenig guter Stoff sich in ausländischen Käsetheken findet. Eine zuverlässige Ausnahme ist Cambozola, diese milchtechnische Meisterleistung aus dem Allgäu, die satte, sahnige Kremigkeit mit Blauschimmelkulturen im Inneren und Weißschimmel außen verbindet, also mildsäuerlichen Camembert mit süßwürzigem Gorgonzola dolce. Zuverlässig und, ja, lecker – aber nicht unbedingt hyperspannend, und sicher nicht handwerklich.
Glücklicherweise hat sich in den letzten Jahren zumindest in den besten Käsetheken ein bisschen was getan (wozu das Kaeskuche-Team entscheidenden Beitrag geleistet hat, aber das ist eine andere Geschichte). Interessanterweise liegt auch hier ein Allgäuer Blauschimmelkäse ganz vorn, der Chiriboga Blue, aus Rohmilch, eher buttrig als sahnig, dicht und süß, mit einer wunderbar lebhaften Säure. Im Format ähnelt er Roquefort – und ist doch gaaanz anders. Einziges Manko: in Deutschland war er bis vor kurzem kaum aufzutreiben, weil allein die Nachfrage besonders in den USA kaum zu befriedigen war. Durch die weltpolitischen Verwerfungen der letzen Monate einerseits und eine neue Käserei andererseits bekommen wir jetzt – juchhu – auch ein bißchen von dieser Wonne ab, die sich quasi mit dem Löffel essen läßt, wie Butterkrem oder Sahneeis, und doch nicht langweilig wird.
Was sich nicht geändert hat, ist der Mensch hinter diesem Käse und die Art, wie er ihn seit 2004 (!) nach eigener Rezeptur und ganz und gar handwerklich zweimal wöchentlich fertigt. Über Arturo Chiriboga, den freundlichen, gutgelaunten gebürtigen Ecuadorianer, den es nach Ausbildung und Studium in der Schweiz nach Bad Hindelang verschlug, habe ich vor exakt sechs Jahren an dieser Stelle bereits geschrieben. Seit 2018 hat er in der Hofkäserei von Albert Kraus in Eberbach eine neue Heimat für seine Blauschimmelkäse-Wonne gefunden.
Was macht den Chiriboga Blue so außergewöhnlich? Neben der Spitzenmilch vor allem zwei Besonderheiten: zum einen schneidet Arturo den Bruch mit der Hand („ich muß ihn fühlen“, sagt er), und zwar dreimal; dazwischen läßt er ihn immer wieder absinken – was ein bißchen an Bâtonnage beim Wein erinnert, das Aufrühren der Hefe, und zweifellos der Ursprung der ganz besonderen Säurestruktur des Chiriboga ist. Und zum anderen gibt er die Blauschimmelkulturen nicht wie üblich direkt zur Milch, sondern taucht die Nadeln, mit denen die zwei Tage jungen Käse angestochen werden (die Kulturen brauchen Luft, um zu wachsen) vorher in eben jene Kulturen. Das kenne ich von keinem anderen Käse.
Je nach Jahreszeit und Luftfeuchtigkeit entwickeln sich dann mehr oder weniger starke blaugrüne Adern innen und Flecken außen, und nach fünf bis sieben Wochen Reife ist er bereit für Euer Käsebrett – wenn er es überhaupt so weit schafft und Ihr ihn nicht direkt aus dem Papier eßt! Wer in Berlin wohnt, bekommt Chiriboga Blue bei Carina und Eli am Bert und Boni-Stand in der Markthalle Neun, ansonsten kann man ihn hier und hier bestellen. Macht garantiert gute Laune – cheerio!
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Liebe Heinzel,
vielen Dank für die Beschreibung. Erst war ich voller Freude, denn Eberbach im Odenwald ist in meiner Nähe, aber die Käserei liegt in Ebersbach (sic!) im Allgäu. Es muss einfach dieses Jahr mit einer Berlinreise klappen, damit ich ihn in der Markthalle Neun holen kann. Ich lerne nämlich so nach und nach #blauschimmelkäse kennen.
Grüße
Heinz