Der Heinzelwein-Dreier ist eine monatliche Serie, die Ihr hier abonnieren könnt.
Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber mein Weinkonsum ist nach wie vor auf Corona-Niveau, und meine Grundstimmung nach wie vor auf Alarm – jeden Morgen auf eine neue Hiobsbotschaft vorbereitet, sei sie nun gesellschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher oder gesundheitlicher Art… was ja aber letztendlich alles eins ist. Gleichzeitig, oder vielleicht gerade deswegen, gibt es intensiv schöne Momente. Zu denen wiederum häufig der Wein gehört, des Abends, auf dem Balkon, und zur Zeit, nicht sehr originell, sehr sehr gerne Rosé.
Deshalb auch für Euch heute zweimal pink stuff, aus Südafrika. Seit Anfang der Krise treffe ich mich jeden Sonntagabend mit meinen Freunden Nikki und Brandon in Kapstadt zum Zoom-Apéro. Wir öffnen hier und dort eine Flasche zu einem bestimmten Thema, reden darüber und wie es uns geht und was sich so ergibt – in den letzten Wochen vor allem über die längst fällige Demokratisierung der Weinkultur in Südafrika. Die wurde lange von der weißen Minderheit besetzt; man (vor allem mann) bemühte sich zwar seit dem Ende der Apartheid zum Teil, für die mehrheitlich schwarzen Arbeiter bessere Bedingungen zu schaffen, doch ansonsten blieb alles beim Alten.
Seit einigen Jahren ist nun aber eine neue Generation von echten disruptors angetreten, die das ganze System radikal neu erfindet. Die den Wein aus der Elite-oder-Plörre-Ecke holt und alte Traditionen als genau das entlarvt, nämlich alt, verstaubt und überholt, und guten Wein für alle bieten möchte, auch in den Townships. Von diesen neuen Projekten kommt nur wenig hier nach Deutschland (was ja auch nicht der Sinn der Sache ist). Diese zwei Rosé-Weine bringen Euch aber hoffentlich zum Nachdenken und Neudenken…
2018 Spider Pig Bro/Zay Rosé ist aus Colombard und Cinsault, superfrisch und leicht und doch nicht grün – und ich erzähle ich Euch jetzt hier nicht die Geschichte hinter dem kleinen Schwein im Spiderman-Kostüm auf dem Etikett, dafür ist dessen Website viel zu witzig! 2015 Rosé von Thokozani ist das stilistische Gegenteil, ein wunderbar gereifter, geschmeidiger Rosé aus Grenache, der an warmen Tagen perfekt den Rotwein ersetzt. Thokozani ist ein Black Empowerment-Projekt des Weinguts Diemersfontein, und auch diese Geschichte lest Ihr am besten selbst. Gehört eher noch zur alten Struktur, bewegt sich trotzdem in die richtige Richtung.
Ich habe Euch an dieser Stelle schon einmal Ben Okri ans weintrinkende Herz gelegt, allerdings mit einem Gedicht von Emily Dickinson. Neulich bin ich in der Financial Times auf einen Kommentar des nigerianischen, heute in Großbritannien lebenden Schriftstellers zu den Black Lives Matter-Protesten gestoßen. Er schreibt dort über seine eigenen Erfahrungen mit rassistischer Diskriminierung, und wie wichtig es ist, daß Kinder begreifen, daß und wie man gegen Rassismus aktiv werden muß, handeln, neu denken…
Racial thinking is a toxic pathology, and at the heart of it there is a kind of madness. It is the madness of a denial of a reality which the inward mind knows to be true. The house of racial thinking is a divided, unstable house. It is unsustainable. And like the Berlin Wall, it will fall. Keep in mind the image of Chauvin with his knee on George Floyd’s neck. This is a police officer who should be protecting the citizens but who is in effect being an executioner. „It is the job of thinking people not to be on the side of the executioners,“ wrote Camus.
Auch deshalb: weiterhin Alarmstimmung. Weil immer noch mehr Dreck unterm Teppich zum Vorschein kommt.
Die Idee dieser monatlichen Empfehlungen: Zwei Flaschen, und zu den flüssigen Geschichten außerdem eine in Worten, oft in Gedichtform – das ist der Heinzelwein-Dreier. Kein Verkaufsformat, sondern der Versuch, zumindest einen Teil dessen, was mir so an Wein begegnet, mit Euch zu teilen – abonnieren könnt Ihr diese Serie hier. Und damit Ihr nicht lange suchen müßt: die Websites findet Ihr hier und hier, die Weine könnt Ihr hier bestellen, mehr zu lesen von Ben Okri findet Ihr hier. Trinken, schmecken, denken, leben müßt Ihr wie immer selbst – keep safe!