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Emmentaler? Ist das nicht so blasses Großloch-Plaste-und-Elaste, für billiges Geld, das kratzt und beißt im Hals? Ja, ist es auch – nahezu jeder Erfolg führt zu kommerzieller Ausschlachtung, leider. Aber dann auch häufig, glücklicherweise, zur Rückbesinnung auf die Ursprünge, den eigentlichen Grund für den Erfolg. Deshalb hier: Emmentaler. Mit feinem Duft und diesem leicht süßlich-nussigen Geschmack, angenehm mürbe, aber keinesfalls trocken…
Anfang 2014 habe ich für die Effilee über Emmentaler geschrieben, nach meinem Besuch am Ursprung:
„Denn allen glücklichen Kühen zum Trotz: die Dinge stehen nicht besonders gut im Emmentaler Land. Es gibt keinen internationalen Bezeichnungsschutz, es gibt zuviel Käse, zuviel wird viel zu jung verkauft, die Branche viel zu stark von wenigen Big Players beherrscht. Letztendlich sieht in der Käsetheke alles viel zu gleich aus, egal, ob es nun aus der schnellen Massenproduktion stammt (wo auch die gesetzlich vorgeschriebene Rohmilch geschmacklich nicht viel hilft) oder aus einer vergleichsweise kleinen Chaeschuchi. Dort reifen die zwei Zentner schweren Käse nach der löcherbildenden, siebenwöchigen Schwitzphase bei 22°C nicht in Folie auf die Schnelle – wie für den billigen Stoff üblich – sondern mindestens sieben Monate in einem kühlen, feuchten Keller, damit sie zu ausgeglichener Harmonie finden. Dabei wird die Rinde leicht bräunlich, für Laienaugen optisch quasi der einzige Hinweis auf den feinen Geschmack.
Käse gehört zweifellos zur Schweizer DNA, und im Emmental läßt er sich bis ins 13.Jahrhundert zurückverfolgen. Die Talkäsereien in den fruchtbaren grünen Hügeln entlang des Flüßchens Emme gehen allerdings eher auf Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. Die damals mit 40 bis 50 Kilogramm noch vergleichsweise handlichen Laibe entwickelten sich schnell zum Exportschlager bis nach Berlin und Rußland. Die Milchbauern und Käsehändler waren nicht immun gegen so menschliche Schwächen wie Habgier und übertriebene Bauernschläue, wie sich bei Jeremias Gotthelf nachlesen läßt. Auf stückweise berechnete Importzölle reagierten sie mit größeren Laiben und verstärkter Produktion, während wiederum die restliche Käsewelt, etwa im Allgäu und den USA, eifrig Werksspionage betrieb, Experten abwarb und ihrerseits großlöcherige, milde Produkte entwickelte.“
Christoph Räz und seine vergleichsweise kleine Käserei in Uettligen war damals noch eher die Ausnahme. Jetzt hingegen ist die Rückbesinnung an der Emme sozusagen offiziell, mit dem Emmentaler AOP URTYP® (ja, mit Trademark etc – einmal gebranntes Kind…). Mehrmals selektiert und mindestens zwölf Monate gereift, davon wiederum mindestens sieben im feuchten Keller. Rohmilch sowieso. Cooler Stoff mit viel Aroma und Geschmack, der nie schreit, sondern fein- und tiefsinnig daherkommt. Perfekt für den Herbst. Genießt beides!
Emmentaler…
…. ganz einfach, wenn die Löcher im Emmentaler stimmen, stimmt auch der Käse, Qualität und Sicherheit!
Gleichmäßig große und moderate rindenferne Zentralbelochung, überwiegend sauerkirschengroß (CH), süßkirschengroß (D) oder pflaumengroß (F), so soll es sein.
Keine Spalten, keine Risse, keine Höhlen, keine Blasen, keine Tausendsasser *Nester von kleinen Löchern, dann ist er gut.
Und wenn dann noch die Löcher, schön gerundet, spärlich mit Wasser und Salzen benetzt, Tränen und Bergkristallen gleichen dann ist es hohe Kunst, barocke Kunst, beste Käsekunst.
Non Argus, largus
Non Methusalem, Magdalena
Non Habakuk, Lazarus
Caseus iste bonus
So wußte Martin Luther zu pointieren, – er konnte es auch fein.
Dem ist nichts hinzuzufügen ;)