Ein Scheurebe-Fest: Insider-Verkostung in der Cordobar Berlin 22.11.17

Im August 2016 saß ich mit den rheinhessischen Winzern Katharina Wechsler und Fabian Mengel bei einer Veranstaltung in Oppenheim, anläßlich des 100-jährigen Jubiläums der Scheurebe. Vor uns in den Gläsern viele sehr spannende Weine – die uns bald an andere, ebenso spannende Weine denken ließen. Dann machten wir uns darüber Gedanken, wie die wohl alle mit etwas Flaschenreife schmecken würden? Was passierte mit all diesem Grapefruit- und Cassis-Charme? Wäre der im Alter ebenso verführerisch? Und wie sah es mit den „anders“ ausgebauten Scheurebe-Weinen aus?

Gedacht, getan. Über ein Jahr später hatten wir mit vereinten Kräften 25 Weine beieinander (Dank an all die großzügigen Winzer!), mit Willi Schlögl von der Cordobar in Berlin einen großartig kooperativen Partner und eine perfekte Location gefunden und vor allem eine tolle Gruppe von Sommeliers, Weinhändlern und Journalisten motiviert, die mit uns zusammen „scheue“ Wege erkunden wollten.

2016 wuchsen in Deutschland auf 1400 Hektar Scheurebe, von denen knapp über die Hälfte in Rheinhessen liegen (gefolgt von der Pfalz, Franken und der Nahe), dazu kommen etwa 400 Hektar in Österreich. Ein großer Teil dieser Trauben wird lieblich oder süß ausgebaut, viel verschwindet ungenannt in Verschnitten. Anfang der Nuller-Jahre hatte jedoch Philipp Wittmann vom gleichnamigen Weingut in Westhofen/Rheinhessen angesichts des Siegeszugs des Sauvignon Blanc in den deutschen Weinbergen die trockenen Scheurebe-Weine als „unseren Sauvignon Blanc“ bezeichnet, und tatsächlich war ein verhaltenes Revival zu beobachten. Alle am Tisch waren sich einig, daß der Name zwar nicht zieht, der Wein im Glas aber mit ziemlicher Sicherheit überzeugt.

Wir verkosteten sehr konzentriert in drei Gruppen, beginnend mit 2016 und 2015, gefolgt von Weinen mit Maischekontakt und deutlichem Holz-Einfluß, abschließend dann die gereiften Weine. Nahezu alle Weine vereinte eine wunderbar beschwingte, beschwingende, aber kaum aggressive Säure. Vom Körper her überwogen eher schlanke Weine, die Fruchtaromen waren feiner als bei den meisten Sauvignon Blanc und viel weniger grüngrasig. Selbst beim sehr reschen Südsteirer von Hannes Sabathi war keine Unreife zu spüren, und Lüthi vom Schweizer Zürichsee demonstrierte, wie leichtfüßig selbst 13% wirken können. Die Toleranz, eigentlich sogar Vorliebe der Sorte für Kalkböden zeigte sich besonders beim Thüngersberg von Bickel-Stumpf, der lange nach hinten aufstieg. Ganz Duft und Spiel hingegen Müller-Catoir, saftig Pfeffingen, tief und steinig der Espenschied – soviel nur zur ersten Gruppe; eigentlich hätten alle Weine eine eigene Erwähnung verdient. Mein persönlicher Favorit unter den „normalen“ 2016 und 2015 war Fabian Mengels Wein, mit kaum endender Cassis-Zitrus-Länge – dem würde ich gerne in zehn Jahren und länger wieder begegnen. Denn altern können die trockenen Scheu-Weine aus den besten Häusern, wie die letzte Gruppe bewies: jeder einzelne großartig, ohne jegliche Spur von Müdigkeit.

Sehr interessant die Maische- und Holzkandidaten dazwischen. 2016 SP von Pfeffingen brauchte viel Luft und überzeugte dann mit einer gelben Kremigkeit, die eine ganz neue Facette der Sorte zum Ausdruck brachte. Es herrschte außerdem ziemliche Einigkeit am Tisch, daß Gerbstoffe aus den Beerenhäuten zu sehr spannenden Ergebnissen führen können, und Katharina Wechsler öffnete nach der Probe noch eine Flasche Fehlfarbe 2016 – auch die möchten wir gern in einigen Jahren aufs Neue erleben!

Fazit: Trockene Scheurebe mag nach aktiverem Einsatz seitens Sommeliers und Händler verlangen, aber im Glas haben diese Weine großes Genuß-Potenzial, nicht zuletzt auch zur gegenwärtig so häufig Gemüse- und Kräuter-orientierten Küche, die selbst viel mit Säure arbeitet und nach solcher im Glas verlangt. Leute – trinkt mehr Scheu!

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