2009 war ich zum ersten Mal in Cambridge/MA, Heimat von Harvard und MIT, für ein Seminar zum Thema historische Kochbücher, das die großartige Barbara Wheaton alljährlich an der Schlesinger Library hält (für das diesjährige im Juni gibt es noch einige wenige Plätze!!). Es war eine in jeder Hinsicht intensive Woche, die vielerlei bleibende Eindrücke hinterlassen hat, aber auch gute Freunde und eine zweite Heimat am Ende der vornehmen Brattle Street. Jeden Morgen lief ich an den stattlichen Anwesen der gutbetuchten Intelligentsia von Cambridge vorbei in Richtung Bibliothek und bewunderte die aufwendig gepflegten Gärten. Doch die großen Götter hatten noch mehr für mich vorbereitet: durch einen bloßen Fünf-Minuten-Schlenker entdeckte ich eine der besten Käse-Adressen auf dieser Seite des Atlantik, Formaggio Kitchen.
Die Vergnüglichkeiten und Versuchungen in dem engen, verwinkelten Laden an der Huron Avenue sind immens; neben der mehr als beeindruckenden Auswahl von Käsen aus aller Welt gibt es alle möglichen anderen Köstlichkeiten, viele spannende Weine, allerlei fertig Gekochtes zum Mitnehmen, jetzt im April frischen weißen Spargel (!) und wunderschöne Blumen. Ich brauchte eine Weile, um den Menschen hinter dieser Wunderwelt zu treffen, aber neulich ist es mir endlich gelungen… Ihsan Gurdal kommt ursprünglich aus Istanbul und lebt seit Ende der 1970er in den USA. Wie so viele von uns, die mit Essen und Trinken zu tun haben, hatte er anfangs ganz andere Pläne: Westküste, Universität, Ingenieurswesen… Nun, wie er es selbst sehr treffend ausdrückt: „Käse war eine große Überraschung für mich, ich hatte keine Ahnung, wie viel dahinter steckt, und ich kam davon nicht mehr los.“ Der kleine Sandwich-Laden, in dem er 1982 zu arbeiten begann, hat sich längst in ein richtiggehendes Imperium entwickelt (dankenswerterweise aber nicht in eine Kette).
Als wir in der Küche hinter dem Laden an der Huron Avenue stehen, umgeben von fleißigen Menschen, die mit Pâtés, Salaten und Kuchen beschäftigt sind, erzählt er mir, so richtig sei das alles in Schwung gekommen, als er entschied, Formaggio Kitchen so demokratisch wie möglich zu strukturieren, so daß jeder Beteiligte tatsächlich auch eine Stimme hat. Und genau das spürt man, wenn Tripp (verantwortlich für die amerikanischen Käse) die spannende Auswahl in der großen Theke erklärt, oder Jessica (Wein) passende Flaschen dazu empfiehlt. Danach ging es hinunter in den Käsekeller… Dieser Haut Béarn-Schafskäse aus dem Baskenland – wow. Diese frischen Kerle im Wirsingblatt aus dem Piemont – ja! Eigentlich ist es ganz einfach: was auch immer man hier entdeckt oder empfohlen bekommt, ist mindestens eine Kostprobe, mit großer Wahrscheinlichkeit aber eine positive Kaufentscheidung wert.
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